2. Sonntag der Osterzeit 16. 4. 2023

Der Verfasser Lukas liebt in Evangelium und Apostelgeschichte vorbildhafte Erzählungen, die seine LeserInnen zu ähnlichen Taten in ihren jeweiligen Situationen ermutigen sollen. Drei idealisierte Schilderungen des Lebens in der Urgemeinde in Jerusalem am Anfang (Apg 2,42-47; 4,32-37; 5,12-16) wechseln bei ihm ab mit spannungsreichen Ereignissen, die einer Lösung zugeführt werden. Sie sollen seiner eigenen Gemeinde wie auch uns Lesenden als Vision dienen für das Leben als Gemeinde im Geist Jesu.
Evangelium: Joh 20,19-31
19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche,
als die Jünger aus Furcht vor den Juden
bei verschlossenen Türen beisammen waren,
kam Jesus,
trat in ihre Mitte
und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. (…)
Das Hindurchtreten Jesu durch verschlossene Türen zeigt die bereits himmlische bzw. verherrlichte Seinsweise des Auferstandenen (anders als bei Lazarus in Joh 11). Die Figur des Thomas dient als Identitätsangebot für nachösterlich Fragende und Suchende, wie sie zum Glauben kommen können, weil sie nicht mehr zur ersten Generation der erfahrenen Glaubenden gehören. An sie richtet sich die Seligpreisung Jesu (V. 29b). In Joh 13,17 bei der Fußwaschung werden die Jünger seliggepriesen, wenn sie die Liebestat Jesu aneinander tun. Das Berührungsangebot Jesu an Thomas wird nicht mehr ausgeführt, weil es nicht um handgreifliche Beweise geht. Dafür kommt aber aus seinem Mund ein Spitzenbekenntnis: Jesus ist sein „Herr“ und „Gott“. Darin ist auch eine persönliche Beziehung enthalten: „mein“. Vielleicht richtet sich dieses Bekenntnis auch machtkritisch gegen die Selbstverherrlichung römischer Kaiser (Domitian ließ sich anreden als „Unser Herr und Gott“). Das Zeigen der Hände und Seite Jesu spielt auf die Wundmale des Gekreuzigten an und erweist ihn als dieselbe Person: den, der wirklich am Kreuz gestorben ist. Zudem erinnert die Seite Jesu an das herausgeflossene Blut und Wasser, die für die Heilsbedeutsamkeit Jesu stehen mögen. Die Fortsetzung der Sendung Jesu erfolgt durch den Zuspruch Jesu und die bevollmächtigende Anhauchung mit Heiligem Geist zum Sündennachlass. Dabei geht es nicht um die spätere Bußpraxis der Kirche, sondern zunächst grundsätzlich um den Befreiungsvorgang aus der „Macht der Finsternis“, des Todes. (Pfr. Dr. H.-Konrad Harmansa)